Lebenslauf Paul Motzer

Liebe Verwandte und Freunde von Paul. Es ist mir eine Ehre, den Lebenslauf von meinem grossartigen Grossvater Paul Motzer vorzutragen. von Ivan Städler


Eigentlich wollte er seinen Lebenslauf selbst schreiben, wozu es aber leider nicht mehr gekommen ist. Doch wir sind ziemlich überzeugt, dass er mit seiner Standard-Antwort auf die Frage „Wie geht es Dir, Paul?“ begonnen hätte. Nämlich mit der Aufzählung seiner Verletzungen. Davon sehen wir jetzt aber ab, denn das wissen die hier Anwesenden bestimmt alles schon.
Stattdessen starten wir am 21.01.1943. An dem Tag wurde Grossvater als zweitältester von 5 Kindern in Eichberg geboren. Als Kind hatte er es gesundheitlich auch nicht einfach. Die Diagnose „Diphtherie“ hätte damals fast dazu geführt, dass es uns Kinder und Grosskinder gar nie gegeben hätte. Er hat nicht mehr gegessen, hatte Husten und hohes Fieber. Der Doktor meinte dann, er müsste in die Höhe. Man hat ihn dann zu seinem Grossvater nach Brüllisau gebracht, wo ihm anfangs die gesunde Geissenmilch sogar eingeschüttet werden musste. Irgendwann hat er aber gemerkt, dass die gar nicht so schlecht ist, und ist schlussendlich sogar jeweils selbst unter die Ziegen gelegen und hat direkt ab Hahn Geissenmilch getrunken. Zum unser aller Glück hat er so diese Krankheit überlebt.


In Eichberg hat er eine schöne Kindheit und eine erlebnisreiche Jugend verbracht. Ein Schlitzohr zu sein, musste man ihn nicht lernen. Bis zum Schluss hat er diese Fähigkeit auch immer wieder bewiesen. Geld verdient hat er mit dem Fangen von Mäusen und dem Einsammeln von Kräheneiern. Freihändig Velo gefahren ist er auch gerne. Oft aber gezwungenermassen, weil er wieder eine gefangene Ringelnatter um die Balance gewickelt hatte. Gefahren ist er damals schon gern. Eine Seifenkiste war aber zu langweilig. Ein Motor musste dran. Ja, Angst hatte Grossvater vor nichts und niemandem.


Von seiner Schulzeit hat er vor allem immer erzählt, wie gut er im Rechnen war. Über die anderen Fächer wurde, aus welchen Gründen auch immer, wenig berichtet.
Nach der Sekundarschule hatte er bei der Garage Schmutz in Altstätten die Lehre als Automechaniker begonnen, welche er dann bei Garage Marti in Altstätten abgeschlossen hat. Nach der Lehre war er dann der erste Mechaniker der Garage Büchel in Oberriet.
In der Freizeit war Grossvater damals auch im Turnverein aktiv. Rückblickend kann man sagen, dass diese Mitgliedschaft fast so wichtig war, wie jene im Ringclub. Denn im Turnverein hat ihn dann auf einmal eine junge, hübsche Eichbergerin angelacht. Oder wahrscheinlich er sie. Und zwar unsere Grosi Marie, welche er dann auch nie wieder hergegeben hat.
Mit gut 20 Jahren zog es ihn dann nach Wetzikon, Zürich, wo er in Doppelschichten alles von Töffli zum Auto reparierte. Drei Jahre später kam dann auch Grosi Marie ins ferne Zürich. Denn jemand musste ja schliesslich auf den selbsternannten schönsten Motzer, Kilian, aufpassen, welcher 1966 zur Welt kam. Ein Jahr später machten Grossvater und Grosi ihre Liebe dann auch noch standesamtlich und kirchlich offiziell und haben geheiratet.
Nach Kili kamen dann im Zweijahrestakt meine Mutter Kali und Beat nach. Mit der Geburt von Beat 1970 ging es dann auch wieder zurück zu den Wurzeln. An ihrem Hochzeitstag, dem 01.04. verbrachten sie ihre erste Nacht in der Mühli, also dort wo heute die Landmaschinen Brillisauer sind, in Eichberg.
An die alte Remise hat Grossvater in gekonnter Manier dann schnell zwei Türen dran gemacht und drinnen einen Auto-Lift installiert - der Startschuss der Garage Motzer, welche heute bereits 50 Jahre besteht. 7 Jahre haben sie dann ziemlich primitiv in diesem Haus gewohnt. Nur eines der 7 Zimmer war warm. Die 3 bis dahin existierenden Kinder erzählen noch heute, wie sie sich jeweils um den besten Platz am Öfeli gestritten haben.
Nach viel Arbeit, Schweiss, Blut, Leidenschaft und gutem Geschäften haben sich Grossvater und Grosi dann 1975 überlegt, Boden zu kaufen. Und das, obwohl ihnen alle davon abgeraten haben. Ganz typisch für unseren Paul, hat ihn das aber wenig interessiert und er hat seinen Plan umgesetzt und den Boden, auf welchem heute die Garage Motzer steht, gekauft. Er hat schon in jungen Jahren viel riskiert und das Geschäften verstanden. Und hatte Erfolg damit. Weil eben, Rechnen konnte er ja.
Im damals gebauten Haus, diesmal mit Heizung, hat er natürlich auch wieder vieles selbst gemacht. Zum einen sicher, um Geld zu sparen. Zum andern kennen wir unseren Paul nun schon so gut, dass er es vor allem darum gemacht hat, damit es sicher «richtig» gemacht wird. Und man muss sagen, das hat er auch. Vieles steht und hält noch bis heute einwandfrei. Und schön wurde es auch.
Über die Zeit nach dem Einzug ins neue Heim hat Grosi gemeint, es habe sich angefühlt, wie in den Ferien zu sein.
Wer so viel schuftet, soll auch Ferien geniessen können. Das hat die Familie Motzer auch gemacht. Und zwar um jeden Preis. Die Idee: mit dem Boot an den Gardasee. Die Umsetzung: Der Bootsmotor kam in den Kofferraum des kleinen Coopers, den sie damals hatten und das Boot, nein, kein Gummiboot, kurzerhand einfach aufs Dach.
Dieses Erlebnis mit dem Boot und dem See hat ihnen so gut gefallen, dass sie dann jahrelang die Ferien im Wohnwagen am Bodensee verbracht haben. Die Steuerung des ersten Boots wurde zwar verkehrt montiert, aber laut Grossvater «gewöhnt man sich ja an alles». Er wusste mit allerlei schwierigen Situationen gut umzugehen.
Als die drei ersten Kinder endlich einigermassen ruhig und selbstständig waren, wurde es Grosi und Grossvater anscheinend zu ruhig und zu langweilig, weshalb dann 1982 eine neue Herausforderung auf sie zukam. Der Nachzügler Albin.
Gut 9 Jahre lang konnte er die volle Aufmerksamkeit seiner Eltern und Geschwister geniessen, bevor dann 1991 das erste von total sieben Grosskindern zur Welt kam.
Zwei Jahre später hatte Grossvater aber dann noch eine weitere Liebe gefunden: sein Riet. Mit dessen Kauf kamen dann zu Hund und Chüngel auch immer wieder andere Tiere hinzu. Angefangen mit den Schafen. Diese waren ihm aber dann doch zu viel Arbeit, weshalb er sich dann einen Stall voll Kühe gekauft hat. Also zwei. Kurzzeitig waren es auch mal mehr aber bei zweien war er nun auch heute wieder angekommen. «Die Henderst isch die Zwotforderscht» hat er jeweils über seine Kuh-Flotte gewitzelt. Die Küngeli hat er jeweils in alten Autos untergebracht. Und das nach dem Motto: «So lang d Ohra nöd oba astönnd, mommer nöd mista». Oft hat der dann statt rausgemistet auch einfach das ganze Auto entsorgt. Er war eben ein Pragmatiker, unser Grossvater.
Bezüglich den Tieren hat sich bei Grossvater aber alles um eines gedreht: Den Deutschen Schäferhund. Unzählige Jahre hat er unter dem Namen «Zwinger vom Alpaland» gezüchtet und trainiert. Das ganze Alphabet hatte er locker durch, woraus auch einige Zöglinge dann weiter zu Militär und Polizei durften.
Unser Grossvater war durch und durch ein leidenschaftlicher Mensch. Einige davon kamen bereits vor. Doch zur grössten kommen wir jetzt: dem Ringen. Eines der Hauptthemen seines Lebens. Ob in seinem Kopf oder in Diskussionen – das Ringen war omnipräsent. Der Ringclub Oberriet-Grabs hat ihn sein Leben lang begleitet. Und er ihn. Angefangen als aktiver Ringer, weiter zum Nationalkadermitglied, Trainer, Kampfrichter bis hin zum Präsidenten des Vereins. Ja, Grossvater hat den Ringclub unendlich geprägt. Der Zusammenschluss von Oberriet und Grabs ist nur eines von vielen Beispielen davon, was er mit dem Verein erreicht und aufgebaut hat. Vor allem aber die Schülerringer lagen ihm am Herzen. «De Paul hett no us jedem Tubel en Schwizermeister gmacht», hörte man jeweils, was viel über seine Leistungen aussagt. Beat schwärmt heute noch davon, wie er eben nicht nur die talentierten, sondern auch die schwächsten Ringer gefördert hat. Auch bei der Gründung der heute so bedeutenden Rheintalliga war er dabei.
Über Grossvater und das Ringen könnte ich noch stundenlang berichten. Aber sind wir doch ehrlich, das meiste hat er in Stammtisch- oder sonstigen Diskussionen sowieso schon erzählt. Denn den Diskussionen rund um’s Ringen konnte man bei Grossvater kaum ausweichen. Aber wenn man jemanden mit so einer Leidenschaft über etwas schwärmen hört, spielt das eigene Interesse ja auch keine Rolle mehr.
Und trotzdem, Themawechsel: Nach den Familienferien am Bodensee gingen die grossen Ferien-Abenteuer für Grosi und Grossvater erst so richtig los. Grossvater konnte eben nicht nur rechnen, sondern auch Autos verkaufen. Darum wurden sie regelmässig von Nissan in Ferien in die ferne Welt eingeladen. Es wird wenige Grosseltern geben, die so viel gesehen haben. Das Highlight erlebte er aber nicht mit der Nissan, sondern bestimmt als er Beat an die olympischen Spiele nach Australien begleiten durfte. Fast wäre er nicht gegangen. Aber gottseidank wurde er dann von einem guten Freund dazu überredet, doch zu gehen. Die kleinen Männer in der grossen Stadt, ein unglaubliches Erlebnis. Und das trotz der Thrombose, die er sich vom viel zu langen Rückflug mit nach Hause genommen hat.
2002 kam dann ein weiterer Meilenstein in Grossvaters Leben. Die Übergabe der Garage. Und was gibt es schöneres, als sein Lebenswerk seinem eigenen Sohn zu übergeben? Mit Stolz übergab er den operativen Teil an Beat. Die Tankstelle haben sie aber noch behalten, damit es ihnen nicht zu schnell langweilig wurde. Doch ganz weg aus dem operativen Teil war Grossvater nie wirklich. Der geschickte Handwerker mit seinem umfassenden Wissen und seiner Erfahrung wurde schräg gegenüber doch noch oft gebraucht und geschätzt. Er hat immer gerne Wissen weitergegeben, auch früher schon. Dies können seine zahlreichen ehemaligen Lehrlinge bestimmt bestätigen.
Weggeworfen hat Grossvater auch nie etwas. Entweder wurde es geflickt oder als Ersatzteillager auf die Seite gelegt. Grosi hat gemeint, in den letzten Jahren habe er zwar weniger geflickt, als einfach auseinandergeschraubt. Zusammengebaut habe er es jeweils nicht mehr. Ja, langweilig wurde es ihm, und somit auch Grosi, eigentlich nie.
Was Grossvater aber sicher auch ausmachte und weitergebracht hat, ist seine direkte und ehrliche Art. In Kombination mit seiner Liebe zum «Bhobta» hat dies aber schon an vielen Tischen für, sagen wir mal, «spannende» Diskussionen geführt. Als dann Google aufkam, hätte man meinen können, jetzt wäre das mit dem «Bhobta» vorbei. Doch weit gefehlt. Grossvater glaubte auch diesem Google nicht. Mit Computern hat er sich im Alter dann aber doch noch angefreundet. Zwar nur, um online jassen zu können, aber immerhin. Auch dort arbeitete er mit System. Er hatte eine lange rote Liste mit dem Titel, sorry, «Arschlöcher».
Darauf waren jene Personen vermerkt, die eine schlecht laufenden Partie zu früh verliessen oder einfach «dumm» jassten. Typisch Grossvater halt.


Am wohlsten fühlte sich Grossvater im Kreise seiner Familie. Allen voran seine herzensgute Ehefrau Marie, welche ihn in allen Bereichen seines Lebens immer mit allem was sie hatte unterstützt hat. Er hat dies auch geschätzt. Und das mal mehr, mal weniger auch gezeigt. Jedenfalls durfte Grosi dann doch nie mehr als eine Woche allein in die Ferien, was ja schon vieles aussagt. Gekocht wurde ihm natürlich auch wie aus einer Gourmet-Küche. Bezüglich seiner Ernährung hat er auch mal gesagt, dass er schon lange Trennkost mache. Er trenne ja auch die Folie zuerst von der Schoggi, bevor er sie verschlingt.
Doch auch die Familienfeste waren immer ein Hightlight für ihn und uns natürlich auch. Weihnachten sind wichtig. Aber das Zusammensein mit der ganzen Familie und das Festen an diesem Anlass sogar heilig.


Stolz war er auch, unser Grossvater. Auf seine Leistungen, klar, aber vor allem auf jene der anderen: Ringererfolge, Schulerfolge, Fussballsiege, geflickte Töffli, die Leistungen seiner Lehrlinge etc. etc. Stolz darf er auch darauf sein, dass alles, was er in seinem Leben aufgebaut hat, auch weitergeführt wird. Auch froh oder stolz war er, dass er bis zum Schluss Autofahren konnte. Oder sagen wir es so. Dass er bis am Schluss autogefahren ist.
Ja und bei eben diesem plötzlichen und schockierenden Schluss sind wir jetzt. Vor nun 3 Wochen wurde Grossvater mit der Rega in den Spital transportiert, wo sie dann einen Infekt mit Bakterienbefall im ganzen Körpers festgestellt haben. Mit wochenlanger Antibiotika-Therapie und einigen Operationen am Herzen wäre man die Bakterien vielleicht losgeworden. Aber dafür war Grossvater bereits zu schwach. Für eines aber, war er nie zu schwach: Für seinen Humor. Bis zum letzten Atemzug hatte er, so anstrengend es für ihn auch war, noch einen seiner mal mehr mal weniger lustigen Sprüche auf den Lippen.
Obwohl es jetzt extrem schnell ging und der Schock und die Trauer immer noch tief sitzen, sind wir froh zu wissen, dass es Grossvater so gewollt hätte. Ein Pflegefall wollte er nie werden. Und dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Wir als Familie durften ihn in den letzten Tagen begleiten, bis er dann am 3. Juli friedlich eingeschlafen ist.
Bevor ich nun zum Abschluss komme, möchte ich Euch alle im Namen der Trauerfamilie nach der Kirche zu einem kleinen Zmittag in den Hölzlisberg einladen.
Schliessen möchte ich seinen Lebenslauf aber nicht damit, sondern mit einem seiner berühmten Witze. Die meisten kennen ihn zwar bestimmt schon, aber irgendwie musste man doch immer wieder lachen. Und genau das wollte er. 


Also:
«Dia letschiti heger en Traum ka, seit da Grossvater. Do seger im Himmel oba i sim Zimmer gsi und im Fernseh seg a Sendig öbers Fägfüür, also d Höll, gloffa. A uhuara Fäscht hegids ka. Und a Fäschtmohl ufam Tisch, sondergleichen. Wonner denn selber a biz Hunger öberko hett, seger is himmlisch Esszimmer und denn käm da Petrus mit zwo so klinna Beckali volla lööntroga Suppa datäär. Do seit da Grossvater: Du, wa söll denn da? Dunna hennds a asstigs Fäschtmohl und mör im Himmel nu so a grüüsigi Suppa? Do seit da Petrus: Du, weisch Paul, gad för üs zwo lohnt sichs doch nöd, an Koch izstella.
Tschüss Gossvater, mör vermissid di!